Die meisten von uns verbringen einen großen Teil des Tages, ja unseres ganzen Lebens in einem Zustand, den wir ja schon anschaulich als „Autopilot“ beschrieben haben. Das heißt, wir denken, fühlen und verhalten uns nach automatisch ablaufenden Mustern.

Diese Muster haben ihre Ursache irgendwo in unserer Vergangenheit. Vielleicht haben wir schon als Kind bestimmte Erfahrungen gemacht, oder wurden einfach so erzogen. Vielleicht haben wir aber auch in unserem späteren Leben Dinge erlebt, die dazu führten, dass wir bestimmte automatischen Verhaltensweisen angenommen haben.

 

Ein gutes Beispiel dafür ist das Vertrauen. Menschen, deren Vertrauen zum Beispiel in einer Partnerschaft missbraucht wurde, reagieren häufig misstrauisch, wenn andere Menschen ihnen näherkommen oder einfach nur freundlich zu ihnen sind.
Das Trügerische an solchen automatischen Abläufen ist, dass sie uns meistens nicht bewusst sind. Wir meinen, absolut logisch und sinnvoll zu denken und zu handeln, obwohl wir tatsächlich so in unsere Gedankenmuster verstrickt sind, dass wir gar nicht über unsere Handlungsmöglichkeiten nachdenken.
Das trifft sogar dann zu, wenn wir das Gefühl haben, uns ganz bewusst für eine Möglichkeit des Handelns zu entscheiden. Auch solchen Entscheidungen und Verhaltensweisen, die wir als vollkommen logisch und „folgerichtig“ empfinden, liegen oft unterbewusste Denkmuster zugrunde. Oft zu unserem Nachteil!

Bei der Eigenbeobachtung oder Selbstbeobachtung geht es darum, uns unser Denken, Fühlen und Handeln bewusst zu machen. Wir müssen dafür in die Rolle eines Beobachters schlüpfen. Wir beobachten alles, was in unserem Inneren vorgeht.

Die Theaterbühne

Ein schönes Bild dafür ist das einer Theaterbühne.
Wir selbst sind die Zuschauer. Auf der Bühne erscheinen alle unsere Gedanken und Gefühle. Wir können nun wie ein Theaterbesucher aus einer gewissen Distanz verfolgen, was passiert.
Dabei treten solche Fragen auf:

  • Welcher Gedanke betritt gerade die Bühne?
  • Wie würde ich ihn nennen?
  • Wodurch wurde dieser Gedanke hervorgerufen?
  • Welche Gefühle ruft der Gedanke hervor?
  • Warum ist das so?
  • Woran erinnert mich das?
  • Wie reagiere ich auf andere?
  • Warum reagiere ich so, wie ich es tue?
  • Was passiert in diesem Augenblick in mir und außerhalb von mir?

Indem wir unsere inneren Vorgänge mit achtsamer Aufmerksamkeit betrachten, können wir wieder viel besser selbst entscheiden, wie wir auf äußere Umstände und Reize reagieren.
Unser Verhalten und unsere Reaktionen laufen dann nicht mehr unbemerkt automatisch ab. Wir können an jedem Punkt sagen „Stopp! Das will ich gar nicht!“

Wir können auch lernen, zu entscheiden, auf welche Eindrücke in unserer Umwelt wir überhaupt reagieren wollen. Auf diese Weise ist es zum Beispiel häufig möglich, Ärger und Streit zu vermeiden, indem wir uns klarmachen, welche Prozesse dabei ablaufen und dass wir nicht gezwungen sind, immer nach dem gleichen ungünstigen Muster zu reagieren.

Üben Sie das Beobachten Ihrer inneren Vorgänge immer wieder zwischendurch für einige Minuten ein. Beobachten Sie, was in Ihrem Denken und Fühlen passiert und benennen Sie es einfach.

Beispiele:

„Ich bin wütend.“
„Ich bin ängstlich.“
„Ich denke dabei an meinen Vater.“
„Die Vorstellung macht mir Angst.“
„Bei diesem Gedanken fühle ich mich nicht wohl.“
usw.

Üben Sie die Eigenbeobachtung regelmäßig in Situationen, in denen Sie entspannt sind. So können Sie nach und nach trainieren auch in spannungsgeladenen Situationen gelassen und achtsam zu reagieren.
Ärgern Sie sich nicht, wenn das am Anfang nicht so funktioniert, wie Sie es wünschen.

Auch hier gilt: „Übung macht den Meister!“

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus unserem Buch Achtsamkeit kann man lernen! von Alexander Stern.
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