Im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen wird immer wieder die Angst vor einer sogenannten „Zwangseinweisung“ genannt

 Wir erhalten immer wieder Anfragen von besorgten Patienten, die befürchten, aufgrund ihrer Erkrankung zwangsweise in ein (psychiatrisches) Krankenhaus eingewiesen zu werden.

Mit dem folgenden Artikel wollen wir dehalb über diese Frage aufklären und vor allem unbegründete Ängste nehmen. Denn leider führt die Angst vor einer „Zwangseinweisung“ immer wieder dazu, dass Menschen mit Suizidgedanken nicht die notwendige Hilfe suchen und erhalten. Nicht wenige Patienten verschweigen ihrem Arzt, dass sie von Suizidgedanken gequält werden, weil sie befürchten, dann zwangsweise in eine psychiatrische Klinik eingewiesen zu werden.

Diese Befürchtung ist allerdings in den allermeisten Fällen unbegründet. Einer zwangsweisen Unterbringung setzt der Gesetzgeber sehr enge Grenzen. Sie ist überhaupt nur dann möglich, wenn ein Mensch in erheblichem Maß die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder auch das eigene Leben gefährdet. Das ist aber bei einem Patienten, der „nur“ über Suizid nachdenkt, nicht der Fall. Anders sieht der Fall aus, wenn ein Patient bereits versucht hat sich das Leben zu nehmen, oder wenn ein Patient ankündigt, dies in unmittelbarer Zukunft zu tun. So werden Menschen, die nach einem „missglückten“ Suizidversuch gerettet wurden, oftmals auch gegen ihren Willen zu ihrem eigenen Schutz zwangsweise in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen.

Wer darf eine zwangsweise Unterbringung veranlassen?

Auch das hängt unmittelbar mit der Ausgangssituation zusammen. So kann zum Beispiel ein Notarzt eine zwangsweise Unterbringung bei einem akuten Suizidversuch veranlassen. Ein Allgemeinmediziner kann in seltenen Fällen eine solche Maßnahme veranlassen. Zum Beispiel dann, wenn er den Eindruck hat, dass im Patientengespräch eine solch massive psychische Krise entstanden ist, dass der Patient nicht mehr gefahrlos nach Hause entlassen werden kann. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn dem Patienten eine lebensbedrohliche Diagnose mitgeteilt wird. Aber auch in solchen Fällen, muss je nach Bundesland, ein Amtsarzt hinzugezogen werden, der die Empfehlung bestätigen muss.
Bei Personen, die unter Betreuung stehen, sieht es ein wenig anders aus. Hier reicht es meist aus, dass der Betreuer einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Betreuungsgericht stellt. Wenn das Gericht dem Antrag zustimmt, kann die unter Betreuung stehende Person auch zwangsweise zum Beispiel in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden.

Ein geistig klarer Patient darf jede Behandlung ablehnen

Zwangsbehandlungen sind sowohl bei psychischen als auch bei körperlichen Erkrankungen grundsätzlich nur dann möglich, wenn der Patient nicht in der Lage ist, die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit ihrer Behandlung zu erkennen. Grundsätzlich hat jeder Patient das Recht auf Nicht-Behandlung. Voraussetzung ist, dass er geistig in der Lage ist, die Schwere seiner Erkrankung und die Folgen einer Nicht-Behandlung zu verstehen. Niemand, der geistig gesund ist, kann also gegen seinen Willen eingewiesen und behandelt werden.

Schweigepflicht gilt fast immer

Grundsätzlich gilt bis auf ganz wenige Ausnahmen auch immer die Schweigepflicht des behandelnden Arztes. Ein Arzt darf die Daten eines Patienten grundsätzlich nur dann weitergeben, wenn der Patient dem zugestimmt hat. Das gilt auch gegenüber der Polizei und gegenüber Gerichten. Ausnahmen gibt es nur bei unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben, was nur in den allerseltensten Fälle zutreffen dürfte.

Beispiele für typische Fälle zwangsweiser Unterbringung:

  • Akute Psychose mit Eigen- oder Fremdgefährdung
  • Suizidversuch
  • Befürchtete Selbstgefährdung nach Mitteilung extrem belastender Informationen
  • Fälle schwerster Verwahrlosung
  • Extreme Hilflosigkeit (z. B. Gefahr des Verhungerns oder des Erfrierens)

Grundsätzlich gilt, dass die genannten Maßnahmen nur dann gesetzlich legitimiert sind, wenn eine unmittelbare Gefährdung vorliegt. Es reicht also nicht die Vermutung, dass die betreffende Person möglicherweise irgendwann in der Zukunft eine Gefahr für sich oder andere darstellen könnte. Die drohende Gefahr muss unmittelbar, also innerhalb von Stunden oder höchsten wenigen Tagen bestehen.

Unabhängig von Maßnahmen wie der zwangsweise Unterbringung bedürfen weitergehende Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte wie zum Beispiel die Fixierung eines Patienten, zusätzliche (gerichtliche) Verfügungen.

Was ist das PsychKG?

Bei der zwangsweisen Unterbringung kommt in der Regel das meist als PsychKG abgekürzte „Gesetz über Schutz und Hilfen für psychisch kranke Menschen“ zum Einsatz. Dieses Gesetz, auch Psychisch-Kranken-Gesetz genannt, gilt jeweils für das zuständige Bundesland. Die Bestimmungen gleichen sich größtenteils, können aber im Detail von Bundesland zu Bundesland verschieden sein. In einigen Bundesländern heißt das Gesetz auch Unterbringungsgesetz oder eindeutiger Freiheitsentziehungsgesetz.
Zuständig für die Regelungen des Gesetzes ist meist das örtliche Ordnungsamt, welches in der Regel auch ein entsprechendes gerichtliches Verfahren beantragt. Es gibt aber auch Ausnahmen, bei denen ein rechtlicher Betreuer oder sogar ein ganz normaler Bürger ein solches Verfahren beantragen kann.

 Worauf muss man achten, wenn man gegen seinen Willen eingewiesen wird?

Grundsätzlich stellt eine zwangsweise Unterbringung einen Eingriff in die Grundrechte eines Patienten dar. Und wie bei solchen Eingriffen (in demokratischen Ländern) üblich, muss ein Richter darüber entscheiden, ob dieser Eingriff in die Grundrechte eines Bürgers gerechtfertigt ist. Dabei entsteht zwangsläufig das Problem, dass ein Richter aufgrund seiner Qualifikation grundsätzlich gar nicht in der Lage ist, eine solche psychiatrische Beurteilung vorzunehmen. Das heißt, er muss sich mit einem Spezialisten, in diesem Fall in der Regel der behandelnde Psychiater, austauschen. Für den Patienten bedeutet das, dass relativ viel Zeit verstreicht, bevor sich ein Richter überhaupt zu seinem Fall äußern kann. Ein Patient, der gerade erst eingeliefert wurde, wird ja nicht in jedem Fall umgehend ausführlich untersucht. Und selbst wenn, kann es einige Zeit dauern, bis der Richter den Arzt erreicht, der die Untersuchung vorgenommen hat. Insbesondere nachts und am Wochenende gilt das in verstärktem Maße.
Trifft der Richter dann auf den Patienten, kann es leicht vorkommen, dass dieser sich aus Unwissenheit nicht im eigenen Interesse äußert, oder dass er sich aus unterschiedlichen Gründen nicht geschickt genug äußern kann, um eine Entlassung zu erreichen.
Denn leider steht einem Patienten, der zwangsweise in die Psychiatrie eingeliefert wurde – im Gegensatz zu einem Straftäter – kein Pflichtverteidiger zur Verfügung, der dem Patienten Tipps und Hinweise für ein günstiges Verhalten gegenüber dem Richter geben könnte. Ihm steht allerdings in den meisten Fällen ein sogenannter „Verfahrenspfleger“ zu. Dabei handelt es sich oft – aber nicht immer – um Rechtsanwälte, die solche Aufgaben übernehmen. Die Bezahlung des Verfahrenspflegers liegt in der Regel unterhalb der eines Handwerkers, weshalb sich Begeisterung und Motivation vieler Verfahrenspfleger verständlicherweise in Grenzen hält.

Achtung bei schneller Entlassung!
Immerhin kommt es in einigen Fällen dazu, dass der behandelnde Arzt schnell zu dem Schluss kommt, dass die zwangweise Unterbringung nicht gerechtfertigt ist oder war, bevor der Patient mit Richter oder Verfahrenspfleger gesprochen hat. Der Patient wird also wieder entlassen und möchte die ganze Angelegenheit schnellstmöglich vergessen. Er vergisst dabei aber, dass die (scheinbar) rechtswidrige Zwangseinweisung dadurch nicht aus seinen Akten verschwindet. Das geschieht nur, wenn der Patient die Rechtswidrigkeit der Einweisung auch gerichtlich feststellen lässt. Tut er das nicht, kann es passieren, dass der Vermerk ihm noch nach vielen Jahren vielleicht in einem ganz anderen Zusammenhang erhebliche Probleme machen kann.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus unserem Buch Depressionen - erkennen - verstehen - überwinden von Alexander Stern.
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