Die Depression ist eine Erkrankung, die in vielen unterschiedlichen Formen auftritt. Anders als ein zu hoher Blutdruck oder Herzrhythmusstörungen lässt sie sich nicht einfach an Messwerten festmachen oder mithilfe von Geräten diagnostizieren. Die Symptome einer Depression können sich auch von Patient zu Patient ganz erheblich unterscheiden. Es gibt jedoch eine Reihe von Anzeichen, die so oder in ähnlicher Form bei vielen oder gar den meisten Patienten auftreten. Oft treten mehrere, in den meisten Fällen jedoch nicht alle, der folgenden Symptome auf.

Psychische Symptome

Verlust von Freude und Interesse
Depressive Patienten verlieren häufig die Fähigkeit, Freude zu empfinden. Gleichzeitig verlieren sie das Interesse selbst an solchen Dingen, die ihnen bisher wichtig waren. So schwindet zum Beispiel das Interesse an geliebten Hobbys. Die Betroffenen können selbst durch objektiv erfreuliche Dinge nicht mehr aufgemuntert werden. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, ein Beispiel aus der Praxis: Ein 49-jähriger depressiver Patient erfuhr vor einiger Zeit, dass er beim Lotto einen hohen sechsstelligen Betrag gewonnen hatte. Er konnte jedoch darüber absolut keine Freude empfinden, obwohl ihn der Gewinn mit einem Schlag von allen finanziellen Sorgen befreite!

Gedrückte Stimmung
Die Stimmung ist durchgehend oder zeitweise trüb und pessimistisch. Stimmungstiefs können auch plötzlich auftreten. Die Betroffenen berichten dann häufig davon, in ein „schwarzes Loch“ zu fallen. Das Leben und die ganze Welt erscheinen den Betroffenen grau in grau. Sie haben keine Lust mehr, sich unter Menschen zu begeben, Veranstaltungen wie Partys, bei denen ausgelassen gefeiert wird, werden für sie zur Qual.

Antriebsstörungen
Die Energie, selbst einfache oder alltägliche Dinge in Angriff zu nehmen, fehlt. Die Betroffenen haben oftmals nicht die Kraft, eine Aufgabe zu beginnen oder sehen keinen Sinn darin. Schon das Aufstehen am Morgen kostet viel Kraft, was in schweren Fällen dazu führt, dass die Patienten das Bett tagelang nicht verlassen. Körperliche Aktivitäten erscheinen oft unmöglich. Es lastet ein Gewicht „wie Blei“ auf dem ganzen Körper. Nichts geht mehr von selbst, nichts fällt mehr leicht, auch Dinge, die vor der Erkrankung selbstverständlich waren und „mit Links“ erledigt wurden. Das führt in schweren Fällen bis hin zur Unfähigkeit, alltägliche Verrichtungen wie Waschen, Putzen oder gar Körperpflege durchzuführen.

Stimmungseinengung
Mit dem Begriff der Depression wird häufig nur der Verlust der Fähigkeit, Freude, Spaß und Glück zu empfinden, verbunden. Nicht selten geht aber nicht nur die Fähigkeit, Angenehmes zu empfinden, verloren, sondern zum Beispiel auch die Fähigkeit, Trauer zu empfinden. Die Betroffenen fühlen sich leer und emotionslos. Viele wären schon dankbar, wenigstens traurig sein zu können!

Gefühl der Sinnlosigkeit
Die Betroffenen stellen alles infrage. Das bisher Geleistete erscheint ihnen wertlos, ihr eigenen Leben ohne Sinn und Berechtigung. Dieser Zustand kann in schweren Fällen bis hin zum (versuchten) Suizid führen.

Sorgen um die Zukunft
Die Betroffenen machen sich häufig übermäßig viele Sorgen um die Zukunft. Nicht selten kommt es zu einem „Verarmungswahn“. Der Patient befürchtet dann, den finanziellen Ruin, auch wenn das tatsächlich sehr unwahrscheinlich ist. Zu solchen Befürchtungen trägt natürlich auch die Tatsache bei, dass die Betroffenen erleben müssen, nicht mehr leistungsfähig zu sein, auch wenn das – objektiv betrachtet – nur vorübergehend ist.

Hoffnungslosigkeit
Die Betroffenen haben keine Hoffnung, dass sich ihr Zustand bessert. Sie sehen ihre Zukunft in den trübsten Farben. Daran ändert auch nichts, dass sie vielleicht rational wissen, dass diese Gedanken unrealistisch sind. Wer unter einer schweren Depression leidet,kannseine Sicht der Dinge nicht rational korrigieren. Man kann ihm nicht „beweisen“, dass er im Unrecht ist. Er kann und wird seine Meinung nicht ändern.

Verlust des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls
Die Betroffenen verlieren das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Sie sehen an sich selbst nur noch Negatives und sind davon überzeugt, so auch auf andere zu wirken. Eigene positive Eigenschaften werden nicht mehr gesehen oder heruntergespielt. Genauso wie erbrachte gute Leistungen. Das Lob anderer wird zurückgewiesen oder als nicht ernst gemeint abqualifiziert. Im Gegenzug werden fast ausschließlich vermeintliche oder tatsächliche negative Eigenschaften gesehen und in den Vordergrund gestellt. Argumente ändern daran nichts.

Gefühle von Minderwertigkeit
Die Betroffenen sind fest davon überzeugt, nichts wert zu sein. Häufig kommt hinzu, dass sie sich selbst als Belastung für die eigene Familie oder für Freunde empfinden. Dieses Gefühl wird natürlich durch die bedrückende Erfahrung der Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit während der Erkrankung noch weiter verstärkt.

Schuldgefühle
Schuldgefühle sind ein typisches Symptom für eine Depression. Die Betroffenen machen sich selbst unterschiedlichste Vorwürfe und geben sich die Schuld sogar an solchen Dingen, die sie definitiv nicht zu verantworten haben. Oftmals fühlen sie sich zudem schuldig, weil sie meinen, durch ihre Erkrankung „nutzlos“ zu sein und anderen zur Last zu fallen.

Hilflosigkeit
Depressive Menschen sehen keinerlei Möglichkeit, selbst etwas an ihrem Zustand zu ändern. Selbst einfachen Anforderungen des Alltags stehen sie hilflos gegenüber. Sie gehen grundsätzlich davon aus, nichts (zum Positiven) bewegen zu können.

Grübeln / Gedankenkreisen
Die Betroffenen grübeln häufig über tatsächliche oder auch nur vermutete Probleme und „Katastrophen“ nach, ohne zu einer Lösung oder einem Schluss zu kommen. Die Grübelphasen treten oft nachts auf. Die Patienten liegen stundenlang wach, grübeln und werden dabei immer verzweifelter.

Konzentrationsstörungen
Die Fähigkeit, sich auf eine Tätigkeit oder Aufgabe zu konzentrieren ist oft herabgesetzt. Es kann vorkommen, dass ein depressiver Mensch schon damit überfordert ist, eine einzige Buchseite bis zum Ende zu lesen, ohne mit seinen Gedanken abzuschweifen. Das Gleiche gilt für andere Aufgaben im Alltag oder bei der Arbeit.

Verlangsamung des Denkens
Das Denken ist oftmals verlangsamt oder stockend. Logische Schlüsse können erst nach intensivem Nachdenken gezogen werden. Gleichzeitig ist die Flexibilität des Denkens eingeschränkt. Die Trennung von Wichtigem und Nebensächlichem fällt schwer. Nicht selten „verfängt“ sich das Denken in unangenehmen oder gar quälenden Gedanken (Grübeln). Das betrifft auch hochintelligente Menschen, die vor ihrer Erkrankung täglich mit komplexen Aufgaben befasst waren.

Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen
Ein anderer Aspekt der bei einer Depression auftretenden Denkstörungen ist die Schwierigkeit, (schnelle) Entscheidungen zu treffen. Nicht selten stehen die Betroffenen minutenlang vor einfachen Entscheidungen, ohne sich für eine Alternative entscheiden zu können.

Alkohol/Drogenmissbrauch
Alkohol- oder Drogenmissbrauch können als ungeeigneter Versuch der Selbstbehandlung betrachtet werden. Manchmal schaffen es die Betroffenen dadurch zumindest für kurze Zeit, ihre quälenden Gedanken und Gefühle zu unterdrücken. Dabei droht natürlich immer die Gefahr einer Sucht. Man geht davon aus, dass viele Fälle von Alkoholismus, insbesondere bei Männern, ursächlich auf depressive Erkrankungen zurückzuführen sind. Tragischerweise sind Alkohol und Drogen dafür bekannt, Depressionen auslösen oder bereits bestehende Depressionen aufrechtzuerhalten, was natürlich extrem problematisch ist.

Ängstlichkeit / Angst / Panik
Angst und Depressionen sind medizinisch betrachtet zwei verschiedene psychische Störungen. In der Praxis ist diese Unterscheidung aber nicht immer leicht zu treffen, da sich die Symptome zum Teil ähneln. Tatsache ist, dass viele depressive Menschen auch unter Ängsten leiden. Diese können sich in Form einer generellen Ängstlichkeit, aber auch als regelrechte Panikanfälle äußern. Die Betroffenen schränken häufig ihre Sozialkontakte immer weiter ein. Sie können meist nicht angeben, wovor sie eigentlich Angst haben. Hinzu kommen existenzielle Ängste in Bezug auf die sozialen und möglicherweise finanziellen Folgen der Erkrankung.

Aggression/Reizbarkeit
Insbesondere bei Männern kommt es vor, dass sich die Depression durch Reizbarkeit und aggressives Verhalten äußert. Die Betroffenen sind selbst von Kleinigkeiten „genervt“ oder fahren leicht aus der Haut. Ein Zustand, der auch als „Dysphorie“ bezeichnet wird. In schweren Fällen kann es bis zum Kontrollverlust kommen. Auch hier nicht selten in Verbindung mit Alkohol.

Libidoverlust
Der Verlust des Interesses an körperlicher Nähe und sexuellen Aktivitäten ist ein typisches Symptom von Depressionen. Bei depressiven Männern kommt es nicht selten zur erektilen Dysfunktion (Impotenz). Frauen verlieren ebenfalls das Interesse an oder die Lust auf Sex.

Morgentief  und Abendhoch
Bei vielen (aber nicht bei allen) Patienten ist zu beobachten, dass sich die Stimmung im Verlauf des Tages verändert. Meist in der Form, dass sie morgens am schlechtesten ist und gegen Abend deutlich besser wird. Man spricht dementsprechend auch von einem „Morgentief“ bzw. einem „Abendhoch“.

Wahnvorstellungen und/oder Zwangsgedanken
In schweren Fällen kommt es zu krankhaften Einbildungen, die meist nichts mit der Realität zu tun haben. So glauben manche Patienten, unheilbar körperlich krank zu sein, obwohl bei ihnen keine körperliche Erkrankung vorliegt (hypochondrischer Wahn). Andere sind grundlos davon überzeugt zu verarmen (Verarmungswahn) oder fühlen sich für etwas schuldig, das sie nicht zu verantworten haben (Schuldwahn). Patienten, die unter Zwangsgedanken leiden, grübeln stundenlang über ihr Schicksal nach oder können sich nicht von dem (unrealistischen) Gedanken befreien, einem anderen womöglich etwas anzutun.

Suizidgedanken und Suizidversuche
In schweren Fällen kann die Verzweiflung des Patienten so weit gehen, dass er eine Selbsttötung als einzigen Ausweg sieht. Etwaige Hinweise oder Ankündigungen müssen immer äußerst ernst genommen werden. Die weitverbreitete Vermutung, dass nach einer Suizidankündigung meist keine Taten folgen, ist erwiesenermaßen falsch. Wenn Sie selbst an Suizid denken oder die Befürchtung haben, ein Angehöriger oder Freund könne einen Suizid planen, müssen Sie unbedingt Hilfe bei einem Arzt oder in einer Klinik suchen!

Körperliche Symptome

Neben den psychischen Symptomen leiden viele depressive Patienten zusätzlich auch unter verschiedenen körperlichen Symptomen. Manche körperlichen Symptome werden zunächst gar nicht mit der Depression in Verbindung gebracht. Oft haben die Betroffenen viele Arztbesuche hinter sich, ohne dass eine organische Ursache für ihre Probleme gefunden werden konnte.

Müdigkeit und Erschöpfung
Die Patienten fühlen sich schon morgens müde und erschöpft. Dies verstärkt sich noch, wenn Symptome wie Schlaflosigkeit hinzukommen. Viele Patienten berichten über Kraftlosigkeit und fühlen sich außerstande, körperliche Belastungen zu ertragen.

Appetitlosigkeit
Appetitlosigkeit ist ein häufiges Symptom von Depressionen. Das geht so weit, dass die Betroffenen oft innerhalb weniger Wochen mehrere Kilo an Gewicht verlieren, ohne dies zu wollen. Oftmals verlieren sie jede Freude am Essen, das Essen schmeckt ihnen nicht mehr und sie müssen sich regelrecht zwingen, regelmäßig Nahrung zu sich zu nehmen.

Gewichtsabnahme/Gewichtszunahme
Vor allem durch die o. g. Appetitlosigkeit kommt es schnell zu starker Gewichtsabnahme. Allerdings kann es in einigen Fällen auch zu einer Gewichtszunahme kommen. Das gilt vor allem, wenn statt der Appetitlosigkeit Symptome wie Heißhunger oder „Essattacken“ auftreten.

Schlafstörungen
Schlafstörungen treten bei einer Depression fast immer auf. Im Rückblick stellen viele Betroffene fest, dass Schlafstörungen die ersten Anzeichen ihrer Depression waren. Dazu gehören Einschlaf- und Durchschlafstörungen. Frühmorgendliches Erwachen. Langes nächtliches Wachliegen oder häufiges nächtliches Erwachen.

Schmerzen
Depressionen können sich durch unterschiedlichste Schmerzsymptome äußern. Besonders häufig sind Rückenschmerzen und schmerzhafte Verspannungen von Nacken und Schultern. Auch Kopf- und Gliederschmerzen kommen vor. Bei einer entsprechenden Untersuchung durch den Arzt wird keine körperliche Ursache gefunden. Diagnostiziert werden bestenfalls Muskelverspannungen.

Impotenz beim Mann
Oft erlischt nicht nur das Interesse an sexuellen Aktivitäten, sondern auch die körperliche Fähigkeit dazu. Erektionsstörungen beim Mann bis hin zur Impotenz sind nicht selten.

Menstruationsbeschwerden bei Frauen
Bei Frauen kommt es nicht selten zu Regelschmerzen (Dysmenorrhoe). In manchen Fällen bleibt die Regel auch ganz aus. Ein weiteres Zeichen dafür, wie sehr eine Depression auch in die organischen Abläufe des gesamten Körpers eingreift.

Verdauungsstörungen
Es können unterschiedliche Probleme des Verdauungstraktes auftreten. Diese reichen von Bauchschmerzen über Blähungen bis zur Verstopfung oder auch Durchfall.

Die körperlichen Symptome, die bei einer Depression auftreten, können extrem vielfältig sein. Forscher haben nachgewiesen, dass sogar die Anfälligkeit für Infektionen bei vielen depressiven Patienten erhöht ist. Natürlich steckt nicht hinter jedem körperlichen Problem gleich eine Depression. Kommen aber die oben genannten psychischen Symptome hinzu, sollte man diese Möglichkeit immer in Erwägung ziehen. Endgültigen Aufschluss über die Ursachen kann aber nur eine Untersuchung beim Arzt bringen.

Psychomotorische Symptome

Die Psychomotorik beschreibt das Zusammenspiel zwischen Bewegung und dem Denken und Fühlen des Menschen. Auch bei depressiven Erkrankungen sind häufig Symptome zu beobachten, die sich in der Art und Weise widerspiegeln, wie sich ein Mensch bewegt.

Man unterscheidet die sogenannte psychomotorische Agitiertheit (Unruhe) und die psychomotorische Hemmung (Verlangsamung).

Psychomotorische Agitiertheit (Unruhe)

  • Bewegungsdrang, Unfähigkeit, still zu sitzen
  • keine Ruhe, um sich auf eine Sache zu konzentrieren
  • eingeschränkte oder fehlende Kontrolle über Gestik und Gesichtsausdruck
  • Schreckhaftigkeit

Psychomotorische Hemmung (Verlangsamung)

  • Passivität
  • verzögerte und/oder krampfhafte Bewegungen
  • vorsichtige und/oder langsame Bewegungen
  • leises, fast flüsterndes Sprechen

In schweren Fällen kann ein sogenannter Stupor (lateinisch: Erstarrung) eintreten. Die Patienten sind dann in wachem Zustand fast vollständig bewegungsunfähig und können sich auch nicht selbst versorgen. Allerdings sind solche extremen Fälle sehr selten.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus unserem Buch Depressionen - erkennen - verstehen - überwinden von Alexander Stern.
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