Viele unserer Probleme entstehen dadurch, dass wir krampfhaft versuchen, Dinge festzuhalten. Dabei kann es sich, sowohl um materielle Dinge, aber auch, um Menschen und deren Zuneigung handeln.
Akzeptieren zu können, dass alle Dinge vergänglich sind und es keinen Sinn macht, an etwas festzuhalten, das vorbei ist oder nicht mehr existiert, trägt wesentlich zu Zufriedenheit und Glück bei.

Zum Thema Loslassen gibt es eine sehr schöne Zen-Erzählung:

Zwei Mönche sind auf Wanderschaft. An einem reißenden Fluss treffen sie eine junge, wunderschöne Frau, die sich nicht traut den Fluss zu überqueren.
Der eine Mönch hebt die Frau auf seine Schultern und trägt sie über den Fluss.
Sie wandern weiter und der zweite Mönch ist empört über das Vorgehen des anderen. Ihre Gelübde verbietet ihnen den Kontakt zu Frauen, ja selbst eine Berührung ist ihnen verboten.
Irgendwann, nachdem sie schon viele Kilometer gewandert sind, fasst sich der zweite Mönch ein Herz und spricht seinen Mitbruder darauf an:
„Hör zu, ich werde unserem Vorsteher berichten müssen, was Du getan hast.“
„Worüber redest Du?“, fragt der erste Mönch zurück.
„Über die wunderschöne junge Frau, die Du verbotenerweise nicht nur angerührt, sondern sogar über den Fluss getragen hast.“
„Oh ja“, sagte der erste Mönch. „Es stimmt, ich habe die Frau über den Fluss getragen und sie am anderen Ufer abgesetzt. Aber mir scheint, Du trägst sie jetzt immer noch mit Dir herum.“

Aber Loslassen im Sinne der Achtbarkeit bedeutet nicht nur, Vergangenes ruhen zu lassen.
Es ist damit auch das Loslassen von allen Dingen zu verstehen, die wir zu sehr wollen oder meinen, unbedingt haben zu müssen. Das bezieht sich sowohl auf materielle Dinge, aber auch auf nicht-Materielles wie den Wunsch, erfolgreich zu sein, oder geliebt zu werden.

Selbst den Wunsch, möglichst schnell achtsam zu werden, müssen wir loslassen, um wirklich achtsam zu werden!
Ein anderer Aspekt des Loslassens im Sinne der Achtsamkeit ist das Überwinden des Festhalten-Wollens von Dingen, die wir als angenehm empfinden, oder an die wir uns gewöhnt haben.
Wir versuchen allzu oft, solche Dinge festzuhalten. Wir wollen nicht, dass sich etwas verändert und können es doch nicht verhindern. Wir möchten, dass der schöne Urlaub nie endet, und sind vielleicht so begeistert von unserem neuen Wagen, dass wir nie wieder hergeben wollen.
Auch unser Wohlstand, unsere Beziehungen oder unsere Gesundheit sind Dinge, die wir unbedingt erhalten wollen, ohne es aber tatsächlich zu schaffen.

Das Festhalten an diesen Dingen tut uns nicht gut. Es hindert uns zum Beispiel daran, wirklich achtsam zu sein, also tatsächlich in diesem Augenblick ganz präsent zu sein.
Letztlich ist die ganze Welt, jedes Leben sowie alle Gedanken und Gefühle einem ständigen Wandel unterworfen. Nichts, von dem, was wir sehen, hören, fühlen oder zu besitzen glauben, ist von Dauer. Alles ist im Wandel oder „Panta rhei“ (Alles fließt), wie es schon der griechische Philosoph, Heraklit, vor mehr als 2500 Jahren festgestellt hat. Von ihm stammt auch die kluge Aussage, dass man nicht zwei Mal in denselben Fluss steigen kann, weil dieser eben fließt und sich ständig und unaufhaltsam verändert.

Wenn wir begriffen haben, dass wirklich nichts von Dauer ist und wir es deshalb schaffen, nichts zu greifen und festhalten zu wollen, sind wir einem achtsamen Leben schon ein gutes Stück nähergekommen.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus unserem Buch Achtsamkeit kann man lernen! von Alexander Stern.
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