Bei dem Versuch, exakte Diagnosen zu stellen, stoßen Ärzte und Therapeuten bei psychischen Erkrankungen an ihre Grenzen. Es lassen sich eben nur die Symptome beobachten, von denen der Patient selbst berichtet. Und wenn es um Gefühle geht, sind diese Schilderungen naturgemäß äußerst subjektiv.
Das ist natürlich auch bei einer Depression der Fall. Deshalb arbeiten Psychiater und Psychologen schon seit Langem daran, Messinstrumente zu entwickeln, mit deren Hilfe es möglich wird, depressive Erkrankungen objektiver zu beurteilen. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um psychologische Testverfahren. Erst in neuester Zeit beginnt man damit, psychische Prozesse auch mit technischen Hilfsmitteln sichtbar zu machen.
Testverfahren zur Bestimmung depressiver Erkrankungen
Die „Hamilton Skala“ ist ein Werkzeug zur Bestimmung des Schweregrades einer depressiven Erkrankung. Sie wurde bereits 1960 von dem deutschstämmigen Mediziner, Professor Max Hamilton, entwickelt. Hamilton, der nicht nur Mediziner, sondern auch ein begabter Statistiker war, entwickelte neben der „Hamilton Depression Rating Scale“ auch Instrumente zur Ermittlung des Schweregrades von Angsterkrankungen.
Die Hamilton-Skala ist kein Selbsttest-Instrument, sondern wird von einem Arzt, Psychiater oder Psychologen angewendet. Der Arzt beurteilt, wie schwer bestimmte Symptome wie zum Beispiel gedrückte Stimmung, Suizidgedanken, Schuldgefühle, Schlafprobleme etc. bei einem Patienten ausgeprägt sind.
Jedes Symptom wird dabei auf einer Skala von 0 bis 3 (manchmal auch von 0 – 5) eingeschätzt. Ergebnisse von 0 – 7 Punkten gelten als unauffällig. Kommen 20 oder mehr Punkte zusammen, geht man von einer mittelschweren (etwa 20 Punkte) oder schweren (ab 30 Punkte) Depression aus. Die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen lassen sich allerdings nicht immer miteinander vergleichen, da zum Teil unterschiedliche Skalen verwendet werden. So existieren auch weiterentwickelte Skalen, die mehr als die 17 von Hamilton ursprünglich angenommenen Symptome erfassen.
Ein anderes, häufig eingesetztes Diagnoseinstrument ist das „Beck-Depressions-Inventar“, das nach dem amerikanischen Psychiater und Psychotherapeuten Aaron T. Beck benannt ist. Es enthält Fragen, die sich auf die subjektiv empfundenen Symptome der Patienten beziehen. Im Gegensatz zur Hamilton-Skala beurteilt hier der Patient selbst seine Symptome.
Beispiel:
(0) Ich bin nicht traurig.
(1) Ich bin traurig.
(2) Ich bin die ganze Zeit traurig und komme nicht davon los.
(3) Ich bin so traurig oder unglücklich, dass ich es kaum noch ertrage.
Der Beck-Depressionsfragebogen kann sowohl schriftlich mit Stift und Papier als auch am Computer durchgeführt werden.
Es existieren noch einige weitere psychiatrische Rating-Skalen für die Diagnose von Depressionen. Dazu gehört zum Beispiel die Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS). Für die Diagnose einer Manie oder einer manischen Phase bei einer bipolaren Störung wird manchmal die Young Mania Rating-Skala (YMRS) verwendet. Im deutschsprachigen Raum kommt auch das „Inventar Depressiver Symptome“ (IDS) zum Einsatz.
Die Zukunft: Untersuchungen im Kernspin?
Die Diagnose mithilfe von Patientengesprächen und Fragebögen unterliegt zwangsläufig einer gewissen Ungenauigkeit. Vieles hängt von der „Tagesform“ des Arztes und des Patienten ab. Auch andere äußere Faktoren, die nichts mit der eigentlichen Erkrankung zu tun haben, können die Ergebnisse beeinflussen. Nicht zuletzt aus diesem Grund suchen Forscher nach Möglichkeiten, psychische Erkrankungen wie die Depression mithilfe objektiv messbarer Daten zu diagnostizieren. Es gibt mehrere unterschiedliche Ansätze dafür.
Erfolg versprechend sind zur Zeit Verfahren, mit denen es möglich ist, die Konzentration bestimmter Botenstoffe im Gehirn zu messen. So konnten Wissenschaftler der amerikanischen Yale-Universität nachweisen, dass die Konzentration des Botenstoffs GABA (Gamma-Aminobuttersäure) in den Gehirnen depressiver Menschen deutlich reduziert ist.
Andere Forscher beschäftigen sich damit, ob eine Depression mithilfe der Elektroenzephalografie (EEG), also der Messung der Hirnströme sichtbar gemacht werden kann. Während ein EEG bei einer Depression bisher lediglich dazu diente, andere Erkrankungen auszuschließen, sind die Forscher auf der Suche nach sogenannten „Trait Markern“ in den EEG-Daten depressiver Patienten. Zum Beispiel könnten bestimmte Asymmetrien in den aufgezeichneten Hirnströmen typisch für depressive Erkrankungen sein.
Im Kernspintomografen können schon heute bei depressiven Patienten strukturelle Veränderungen im Gehirn, zum Beispiel im Bereich des sogenannten Hippocampus nachgewiesen werden. Auch die Messung der Aktivität in bestimmten Gehirnregionen mithilfe der Kernspintomografie soll Aufschluss über depressive Erkrankungen geben. Brauchbare, in der Praxis einsetzbare, Verfahren sind daraus bisher noch nicht entstanden. Es ist aber damit zu rechnen, dass sich das in einigen Jahren ändern wird.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus unserem Buch Depressionen - erkennen - verstehen - überwinden von Alexander Stern.
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