Das MBSR wird auch zur Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen eingesetzt.
Hierbei spielt die achtsame und unvoreingenommene Betrachtung des Schmerzes eine wichtige Rolle.
Die meisten Schmerzpatienten haben im Laufe der Zeit eine statische, festgefahrene, negative Einstellung zu ihren Schmerzen entwickelt. In vielen Fällen sind Reaktionen wie Angst, Niedergeschlagenheit oder Wut fest mit dem Schmerzgefühl verbunden. Eine andere Reaktion auf den Schmerz ist kaum noch möglich.
Beim achtsamen Umgang mit dem Schmerz lernen die Patienten, eine neutralere, weniger negativ behaftete Sichtweise auf den Schmerz zu erreichen. Es geht also nicht darum den Schmerz zu unterdrücken oder ihm auszuweichen, sondern darum, ihn anders als bisher zu bewerten.
Die Patienten lernen, dass all die negativen Assoziationen, Gedanken und Gefühle, die sie dem Schmerz bisher entgegengebracht haben, diesen nur verstärken und dauerhaft machen.
Sie erfahren, dass die scheinbar „normalen“ Reaktionen wie Angst, Niedergeschlagenheit, Trauer oder Wut nicht zwangsläufig mit dem Schmerz verbunden sein müssen.
Sie erkennen, dass die negativen Emotionen nichts mit dem Schmerz an sich zu tun haben, sehr wohl aber mit ihrer Einstellung dazu.
Sobald die Patienten bemerken, dass ihre bisherige Einstellung dem Schmerz gegenüber zu einer Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität führt, können sie damit beginnen, etwas daran zu ändern.
Durch die achtsame Betrachtung des Schmerzes und der damit verknüpften Gedanken und Gefühle lernen die Patienten, dass Schmerz, Gedanken und Emotionen voneinander getrennte Ereignisse sind. Das eine resultiert nicht automatisch aus dem anderen!
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Schmerzbehandlung durch Achtsamkeit ist der der Aufmerksamkeit.
Für viele Schmerzpatienten steht der Schmerz ständig im Fokus ihrer Betrachtung, wodurch er als besonders stark und dominierend wahrgenommen wird.
Lernt der Patient mithilfe der Achtsamkeit, auch viele andere Eindrücke seiner Umgebung wahrzunehmen, verliert der Schmerz seine Sonderstellung. Er ist dann „nur noch“ einer von vielen Eindrücken und wird dadurch weniger bedeutend. Der Schmerz wird sozusagen zu einer „Nebensache“.
Schmerzen können durch Achtsamkeitstraining dauerhaft gemindert werden.
Kabat-Zinn stellte bei seinen Untersuchungen bei Patienten mit chronischen Schmerzen fest, dass sich durch das Achtsamkeitstraining während und nach den Übungen bei allen die Stärke der Schmerzen verringerte.
Nachuntersuchungen ergaben, dass die meisten Schmerzpatienten, die das Achtsamkeitstraining durchlaufen hatten, auch nach über einem Jahr angaben, deutlich weniger Schmerzen zu haben als vor dem MBSR-Programm. Auch der Verbrauch von Schmerzmitteln war bei diesen Patienten deutlich zurückgegangen.
Gleichzeitig stellte man fest, dass bei den untersuchten Patienten auch die negativen Begleiterscheinungen der Schmerzen, wie Angst, Niedergeschlagenheit und Depressionen deutlich nachgelassen hatten.
Um auch noch die letzten Zweifler zu überzeugen, wurden die Hirnstromaktivitäten der Patienten mithilfe einer EEG-Messung untersucht. Es stellte sich heraus, dass die Patienten, die regelmäßig Achtsamkeitsübungen durchgeführt hatten, eine deutlich verringerte Aktivität in den Bereichen des Gehirns aufwiesen, in denen Schmerzreize verarbeitet werden. Durch diese wissenschaftlichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass es sich bei der Schmerzreduktion durch Achtbarkeit nicht nur um einen Placebo-Effekt oder um subjektive Einbildung handelt.
Die genannten Untersuchungsergebnisse wurden zwischenzeitig von mehreren unterschiedlichen Forschergruppen auf der ganzen Welt bestätigt.
In vielen Studien konnte belegt werden, dass durch das Achtsamkeitstraining die Lebensqualität von Patienten mit Rückenschmerzen, Migräne oder Fibromyalgie steigt. Es ist zu vermuten, dass dies auch für Patienten mit anderen Schmerzerkrankungen gilt.
Es ist also wissenschaftlich erwiesen, dass das Achtsamkeitstraining eine ideale Behandlungsmethode für Patienten mit chronischen Schmerzen darstellt.
Die Behandlung ist nicht nur äußerst wirksam, sondern hat auch keine unerwünschten Nebenwirkungen, wie es zum Beispiel bei vielen Schmerzmedikamenten der Fall ist.
Die Patienten sind bei dieser Behandlung weder von der Medikation noch von ihrem Arzt oder Therapeuten abhängig. Dazu kommt, dass sie äußerst preiswert ist und von jedem an jedem Ort der Erde ohne technische oder medikamentöse Hilfsmittel praktiziert werden kann.
Tipp:
Jeder, der unter chronischen Schmerzen leidet, sollte ein MBSR-Programm durchlaufen!
Patienten mit chronischen Schmerzen leiden oft ein Leben lang unter ihren Symptomen. Sie verlieren nicht selten sogar die Freude am Leben. Oft haben sie bereits viele verschiedene Behandlungsversuche bis hin zu schwerwiegenden Operationen hinter sich.
Dagegen wirkt die Teilnahme an einem achtwöchigen MBSR-Kurs mit den dazugehörenden täglichen Übungen wie ein Spaziergang. Und nicht nur das, bei nicht wenigen Schmerzpatienten hat das MBSR eine deutlich bessere und nachhaltigere Wirkung als konventionelle Behandlungsmethoden.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus unserem Buch Achtsamkeit kann man lernen! von Alexander Stern.
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