Eine weitere Form der formellen Übungen ist die Gehmeditation. Die Gehmeditation sollte nicht mit dem achtsamen Gehen verwechselt werden.

Im Gegensatz zum informellen achtsamen Gehen folgt die Gehmeditation nach einem festen Muster. Im Zen ist die Gehmeditation eine der Sitzmeditation gleichwertige Meditationsmethode.
Sie wird aber manchmal auch als Auflockerung oder Ergänzung der formellen Sitzmeditation durchgeführt. Im Zen ist die Gehmeditation auch als „Kinhin“ bekannt. Sie gehört fest zu den Zen-Lehrtraditionen „Sōtō-Zen“ und „Rinzai-shū“. Bekanntester Vertreter der Gehmeditation ist der aus Vietnam stammende, buddhistische Mönch Thich Nhat Hanh.

Während wir im normalen Leben gehen, um einen bestimmten Ort zu erreichen, oder um eine bestimmte Strecke zurückzulegen, ist das bei der formellen Gehmeditation nicht der Fall. Hier dient die Fokussierung auf das Gehen und Atmen den gleichen Zielen wie auch der Body-Scan oder die Sitzmeditation, nämlich der achtsamen Wahrnehmung dessen, was ist.

 

Anleitung für die Gehmeditation

Es ist günstig, für die Gehmeditation ein paar Meter Platz zur Verfügung zu haben. Steht der nicht zur Verfügung, kann man bei der Gehmeditation auch in einem kleinen Kreis oder Quadrat gehen.

Der richtige Ort

Suchen Sie einen passenden Ort für die Meditation aus.
Es ist nicht viel Platz notwendig, da es nicht darum geht, eine längere Strecke zurückzulegen. Es reicht, wenn Sie etwa 10 Schritte in eine Richtung machen können, um dann umzudrehen und die 10 Schritte wieder zurückzugehen.
Genauso gut kann man auch ein Quadrat ablaufen, dessen Seiten jeweils 10 Schritte lang sind.

Die Gehmeditation kann sowohl im Haus, aber auch im Freien stattfinden. Will man im Freien meditieren, ist es günstig, dafür einen geschützten Platz zu finden. Das kann im eigenen Garten, auf der eigenen Terrasse, aber auch auf einem abgelegenen Waldweg sein.
Beim Meditieren außerhalb des eigenen Grundstücks sollte man darauf achten, dass man einen Weg wählt, der nicht von Spaziergängern oder Joggern benutzt wird. Die dadurch auftretenden Störungen sind für die Gehmeditation ungünstig. Zudem können Sie davon ausgehen, von jedem zweiten Passanten angesprochen und dazu befragt zu werden, was Sie da tun.

Der richtige Stand

Beginnen Sie, indem Sie sich aufrecht hinstellen. Stellen Sie die Füße nebeneinander. Registrieren Sie, wie die Fußsohlen den Boden berühren.
Beobachten Sie, wie sich das Gewicht verteilt, das auf den Beinen und Füßen lastet. Spüren Sie in beiden Beinen das gleiche Gewicht, oder belasten Sie ein Bein mehr als das andere?

Wie verteilt sich das Gewicht in Ihren Füßen? Stehen Sie mehr auf dem Fußballen oder mehr auf der Ferse? Vielleicht ist es auch bei jedem Fuß unterschiedlich?

Spüren Sie auch Ihren Rücken und Ihre Schultern. Sind sie entspannt oder angespannt? Haben Sie vielleicht eine oder beide Schultern hochgezogen?
Wie ruht der Kopf auf Ihrem Hals? Halten Sie ihn gerade, oder ist er nach vorne, nach hinten oder nach links oder rechts geneigt?

Die Haltung der Hände

Die linke Faust wird von der rechten Hand umschlossen und ruht vor dem Oberkörper. Halten Sie die Unterarme so, dass sie in etwa parallel zum Boden sind. Diese Haltung der Hände wird auch als „shashu“ bezeichnet.

Los geht’s

Machen Sie nun einen Schritt nach dem anderen.
Machen Sie bei jedem Ein- und Ausatmen einen Schritt nach vorne. Gehen Sie auf diese Weise entlang eines tatsächlichen oder gedachten Quadrats. Die Gehrichtung ist bei dieser Übung der Uhrzeigersinn.Wenn Sie die Gehmeditation draußen durchführen und genügend Platz haben, können Sie das Gehen auch beschleunigen. In diesem Fall atmen Sie während der ersten vier Schritte ein und während der folgenden vier Schritte lang (ohne Unterbrechung) wieder aus.
Je nach Kondition oder Tagesform sind auch alle Varianten zwischen ein Mal atmen pro Schritt bis einmal atmen während 4 Schritten möglich. Also zum Beispiel auch während zwei Schritten einatmen, und während der nächsten zwei Schritte lang ausatmen oder während dreier Schritte einatmen und währender der nächsten drei Schritte lang ausatmen.
Wichtig ist, dass dies in einem gleichmäßigen Gehrhythmus geschieht. Also nicht mal schnell und mal langsam!

Wundern Sie sich nicht, wenn Sie an anderer Stelle hören oder lesen, dass man entgegen dem Uhrzeigersinn gehen soll.
Auch diese Methode gibt es. Sie gehört zur Zen-buddhistischen Lehrtradition „Rinzai-shū“. Diese Methode ist nicht besser oder schlechter als die des „Sōtō-Zen“.

Um Zusammenstöße zu vermeiden, sollten sich die Teilnehmer an einer gemeinsamen Gehmeditation allerdings auf eine Richtung einigen 😉

Auch bei der Gehmeditation werden Sie feststellen, dass Ihre Gedanken beginnen, umherzuwandern. Sobald Sie das bemerken, lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder zu Ihrem Atem und den einzelnen Schritten zurück.
Auch hier gilt es, nichts zu bewerten, sondern alles gelassen zu betrachten und geschehen zu lassen.Manchen Teilnehmer fällt es auch hierbei leichter fokussiert zu bleiben, wenn sie die Schritte und/oder die Atemzüge zählen. Zählen Sie bei jedem Schritt um eins nach oben. Wenn Sie bei 10 angekommen sind, beginnen Sie wieder bei Eins.

Eine Gehmeditation eignet sich übrigens auch hervorragend für die Durchführung in der Gruppe. Das Gemeinschaftsgefühl macht die Meditation zu einem noch intensiveren Erlebnis. Die Teilnehmer gehen dabei dicht hintereinander, ähnlich wie die Mönche in der bekannten Zeichnung „Trepp auf, Trepp ab“ von Maurits C. Escher.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus unserem Buch Achtsamkeit kann man lernen! von Alexander Stern.
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